Das Leben unseres Namenspatrons Berthold Simonsohn ist gekennzeichnet durch seinen lebenslangen sozialen Einsatz – auch in der von ihm erlebten schwierigsten Zeit, unter dem Regime der Nationalsozialisten.
Am 24.4.1912 in Bernberg an der Saale geboren, wuchs er mit seinen Geschwistern behütet in einem gutbürgerlichen Elternhaus auf. Nach dem Abitur in Bernburg studierte er Jura und Staatswissenschaften in Leipzig und Halle. Die politische Situation spitzte sich in dieser Zeit zu und Berthold Simonsohn war im siebten Semester als er erfuhr, dass er als Jude nicht mehr zum juristischen Staatsexamen zugelassen wird. Den Druck im Nacken, keine berufliche Zukunftsperspektiv entwickeln zu können, entschied er sich für die Möglichkeit der Promotion. Mit Unterstützung von verfasste er bei Prof. Dr. Erich Schwinge (1903–94) seine Dissertation und wurde dann 1934 zum Dr. jur. promoviert.
Berthold Simonsohn setzte sich als Mitglied der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschland (SAPD) für den Widerstand gegen den Nationalsozialismus ein und wurde Ende 1933 zum ersten Mal verhaftet. Während sich Stück für Stück der Freundeskreis von Simonsohn durch die erzwungene Emigration der Nazis auflöste, arbeitete er dennoch weiterhin in der jüdischen Sozialarbeit – unter erschwerten Bedingungen und unter der Kontrolle der Gestapo. Schwerpunkte seiner Arbeit galten dem Fürsorgerecht, der Berufs- und Auswanderungsberatung. In der Zwischenzeit wurde er nach den Synagogenbränden am 9. November im KZ Sachsenhausen interniert. Durch die Unterstützung der Wohlfahrtsorganisation kam er nach 20 Tage frei (unter der Auflage das Land zu verlassen).
1942 wurde er in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Berthold Simonsohn wurde in der jüdischen Selbstverwaltung eingesetzt, zuerst in der sogenannten „Arbeitszentrale“, dann als stellvertretender Leiter der Jugendfürsorge. In Theresienstadt lernte er Trude Gutmann kennen, die er kurz vor der bevorstehenden Deportation nach Auschwitz noch vor Ort rituelle heiratetet (die standesamtliche Trauung folgte 1949). Es folgt 1944 die Deportation nach Auschwitz und kurz darauf die Deportation in das Lager Kaufering III bei Augsburg, einem Außenlager des KZ Dachau. Von dort musste er am 26. April 1945 einen dreitägigen Marsch nach Dachau-Allach antreten. Am 30. April 1945 befreite die US-Armee endlich das Lager. Seine Frau Trude Simonsohn überlebte im KZ Groß-Rosen.
Im Mai 1945 kehrte Berthold Simonsohn all den Erfahrungen zum Trotz nach Theresienstadt zurück und organisierte die Auflösung des Ghettos und unterstützte die Menschen dort.
1946/47 übernahm er die Leitung des Schweizer Sanatoriums „Höhwald“, eine Einrichtung der jüdische Flüchtlingshilfe Davos und nahm ein Studium der Volkswirtschaft, Soziologie und Geschichte an der Universität Zürich auf. Berthold Simonsohn kehrte dann 1950 nach Hamburg zurück und wurde Geschäftsführer und Rechtsberater des Verbandes der Jüdischen Gemeinden Nordwestdeutschlands. Der Zentralrat der Juden in Deutschland beauftragte ihn mit der Wiedergründung der im „Dritten Reich“ verbotenen „Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland“ (ZWST) und setzte ihn als Geschäftsführer ein. Unter seiner Leitung entwickelte sich die ZWST zu einem modernen Wohlfahrtsverband und wurde zum Experten in Fragen der Wiedergutmachung.
Anfang der 60er Jahre wurde Berthold Simonsohn zum außerordentlichen Professor für Sozialpädagogik und Jugendrecht an der Hochschule für Erziehung an der Johann Wolfgang-Goethe-Universität ernannt. An dieser Stelle laufen dann auch die Fäden in Richtung der Sonder- und Heilpädagogik zusammen und damit auch mit unserem schulischen Fachgebiet. Er setzt sich für die Reform des Jugendrechts und des Jugendstrafvollzuges ein und setzt wesentliche Impulse für Veränderungen. Simonsohn galt als Fachmann für deviantes Verhalten und Fragen der Resozialisierung wurde 1976 in die „Kommission des Bundesjustizministeriums zur Reform des Jugendstrafvollzugs“ berufen.
Berthold Simonsohn gehörte zu der kleinen Zahl jüdischer Intellektueller, die als Überlebende und Rückkehrer dazu beitrugen, die Gesellschaft der Bundesrepublik nach 1945 mitzugestalten.
1977 wurde er emeritiert Mit seiner Frau, die in der Jüdischen Gemeinde arbeitete, lebte er bis zum Lebensende am 8.1.1978 in Frankfurt am Main.